«Für Menschen mit Handicap – Ohne wenn und aber». Ein ehrenwerter Slogan, dessen konsequente Umsetzung unserer Meinung nach noch verbessert werden könnte.
Wir berichten hier ausschliesslich von unseren Erfahrungen mit Procap, auch wenn wir von diversen Eltern oder erwachsenen Betroffenen ähnliche Geschichten hören. Wir raten euch selbstverständlich nicht davon ab, eine Mitgliedschaft bei Procap abzuschliessen. Wie überall hängt der Erfolg davon ab, welche Person einem zugeteilt wird. Nicht jeder Koch kann ein Vier-Sterne-Menu zaubern, nicht jeder Verkäufer verkauft dir eine vorteilhafte Hose, …
Schlussendlich bleibt die Entscheidung jedem selber überlassen. Auch wir haben unsere Mitgliedschaft noch nicht gekündigt. Wir raten euch aber dazu, Alternativen zu prüfen und auch Procap zu hinterfragen. Denn wenn ihr als Abenteuerfamilie das Spital verlässt, empfehlen euch sämtliche Sozialarbeiter und Stiftungen ausschliesslich Procap ohne auch andere Möglichkeiten aufzuzeigen.
Wir empfinden es als schwierige Hürde, dass die Ansprechpersonen bei Procap nicht die Anwälte direkt sind. Was aus Sicht von Procap Sinn macht und anders wahrscheinlich nicht zu finanzieren wäre. Wir verlangen ja nicht, dass sich ein Anwalt mit seinem Honorar unsere Alltagssorgen anhört. Aber wenn es sich um komplexe Angelegenheiten handelt, gestaltet sich das Telefonspiel über die Kontaktperson bis hin zum allgemeinen Beratungstermin mit dem Anwalt sehr mühsam. Und endet nicht selten mit Missverständnissen, die im Ernstfall wertvolle Zeit kosten oder gar eine Mandatsablehnung Seitens Procap zur Folge haben kann.
Schwierig auch, wenn der zuständige Ansprechpartner in zwei Jahren dreimal wechselt und dies nicht proaktiv kommuniziert wird. So kommt es vor, dass wir versuchen, uns über die Hotline, bei der wir oft nicht durchkommen, an unsere Kontaktperson zu wenden, (übrigens haben wir momentan wieder niemanden, der für uns zuständig ist), aber niemanden erreichen. Bis die Mail beantwortet wird, ist aber die Annahmefrist Seitens Procap leider abgelaufen, wir müssen den Einwand selber formulieren und bei der IV einreichen. Besteht in einem solchen Fall darauf, dass Procap wenigstens euer Schreiben kontrolliert, falls ihr euch unsicher seid. Gerade beim ersten Mal ist es nicht einfach, die richtigen Formulierungen zu finden. Und Achtung, auch gegenüber Procap müsst ihr Fristen einhalten.
Eine kostenpflichtige Beratung durch Procap würden wir für uns nach all unseren Erfahrungen ebenfalls nicht in Anspruch nehmen. Denn die Beratung die wir bisher erhalten haben, hat uns keinerlei neue Erkenntnisse gebracht, so allgemein und knapp wurden die Aussagen gehalten. Keine unserer Fragen wurde konkret beantwortet, sondern wir wurden damit vertröstet, dass man im Detail die elektronische Akte bei der IV anfordern und unseren Fall explizit studieren müsste. Absolut nachvollziehbar, aber bringt dann auch nicht wirklich etwas. Auch vermissen wir von Procap seit jeher eine proaktive Unterstützung.
Etwas das wir auch bei den Vorträgen von Procap vermissen. Selbstverständlich kann nicht auf jedes Detail eingegangen werden und natürlich ist jeder Fall individuell zu betrachten. Aber grundsätzlich wäre es zu begrüssen, wenn Procap ihren Mitgliedern ein bisschen mehr Mut machen würde. Denn es lohnt sich, für seine Interessen einzustehen.
Sowieso beginnt das Prozedere, sofern ihr eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen habt, bei Procap identisch, wie wenn ihr eine andere Rechtsvertretung engagieren würdet. Sprich die Kosten werden in erster Instanz von der Rechtsschutzversicherung gedeckt, welche vorab einen gewissen Betrag spricht. Allgemein haben Rechtschutzversicherungen eigene Anwälte, die euren Fall vertreten, aber je nach Versicherung lohnt es sich zu fragen, ob sie die Kosten für euren eigenen Anwalt übernehmen würden. Wenn dieser Anwalt z.B. bereits mit eurem Dossier vertraut ist, sind die Versicherungen oft eher dazu bereit, da ihnen der Aufwand für die Einarbeitung in euren Fall erspart bleibt. Damit könnt ihr bereits bei der Schadenmeldung argumentieren.
Wir haben das Glück, vor der Geburt unseres kleinen Abenteurers eine gute Rechtschutzversicherung abgeschlossen zu haben. Auch an eine Zusatzversicherung haben wir gedacht. Das ist unser Rat an alle, die gerne Eltern werden möchten. Schliesst eine gute Rechtsschutz- und Zusatzversicherung ab. Künden könnt ihr die Versicherungen immer noch, aber wenn euer Abenteuerkind geboren ist, dann kann oft keine oder nur schwer eine neue Versicherung abgeschlossen werden. Dank der Tatsache das wir vorrausschauend gehandelt haben, konnten wir uns eine Alternative zu Procap suchen, nach dem wir dort keine Rechtsvertretung zu erwarten hatten.
Ganz anders, kompetenter und auch individueller erleben wir die Beratung und Vertretung seither bei Schadenanwälte. Dort wird uns aufmerksam zugehört, unsere Zweifel werden ernst genommen, wir werden aber auch realistisch beraten. Wir werden engagiert und wohlwollend unterstützt, vor Gericht zu gehen, wenn wir im Recht sind, erhalten aber auch eine realistische Einschätzung, wann sich ein Kampf nur bedingt lohnt, wann es einen aussergerichtlichen Kompromiss anzustreben gilt oder wir keine Aussicht auf Erfolg haben. Es ist ein sehr entlastendes Gefühl, einen Partner hinter sich zu wissen, wenn man in einen Rechtsstreit mit der IV tritt. Denn der Weg wird garantiert nervenaufreibend, extrem zeitaufwändig, und verletzend. Und ihr werdet oft kurz vor dem Aufgeben sein. Umso wichtiger ist eine motivierte Rechtsvertretung.
Unser Rat an euch: Wenn ihr das Gefühl habt, dass etwas im Vorbescheid der IV nicht stimmen kann, ihr euch sehr ungerecht beurteilt fühlt oder Begründungen nicht der Realität entsprechen, so lasst euch von einem Anwalt beraten. Dieser kann im Zweifelsfall die Akten der IV einsehen und reagieren, falls der IV Fehler in der Beurteilung unterlaufen sind. Denn auch das kann passieren und passiert öfter als man denkt. Achtet aber bei einem Vorbescheid unbedingt auf die 30-tägige Einsprachefrist.
Rechtsberatung ist eine kostspielige Angelegenheit, unsere Erfahrungen zeigen aber, dass sie sich allemal ausbezahlt hat. Sei es nur, dass ihr für euch Antworten bekommt. So haben wir z.B. durch ein medizinisches Gutachten nun endlich für uns die Gewissheit, dass wir keine hysterischen Eltern sind, sondern dass tatsächlich im Spital die Fürsorgepflicht verletzt wurde. Auch haben wir dank einer Rechtsprechung unser Anrecht auf Hilflosenentschädigung und Assistenzbeitrag erhalten.
Wenn ihr eure Anliegen im Voraus gut geordnet, zusammengefasst und als Kopie für euren Anwalt vorbereitet, könnt ihr die eine oder andere Stunde sparen. Auch könnt ihr den Schadenfall selbständig bei eurer Rechtsschutzversicherung melden, eine Vollmacht für euren Anwalt in der Kommunikation mit der IV organisieren und dies der IV melden. Lasst die IV-Stelle aber wissen, von welchem Anwalt ihr vertreten werdet. Das kann im Streitfall mit der IV vieles erleichtern, da die Kommunikation in diesem Fall direkt über den Anwalt läuft und dieser euch auch dabei unterstützt, zwingende Fristen einzuhalten. Es zahlt sich zudem aus, von Zeit zu Zeit das Kreisschreiben der IV zu studieren. Auch wenn es durchaus spannendere Bettlektüre gibt und ihr in eurem Abenteuerleben eigentlich keine Zeit zum lesen habt. So erfahrt ihr eure Rechte, auf die euch die IV selten von sich aus hinweist.
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