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SEHR GEEHRTER HERR BERSET

Ich bin eines von vielen Kindern, welches sich dieses Jahr zu Weihnachten Sauerstoff wünscht. An den Weihnachtsmann glaube ich schon lange nicht mehr. Und seit Ihrem Entscheid, IV-Leistungen für uns Kinder zu streichen, auch nicht mehr an unseren Bundesrat.



Es ist der Spiegel einer Gesellschaft, wie wir mit den Ärmsten und Schwächsten umgehen. Und wer ist ärmer, als Kinder, die kein gesundes oder ein verkürztes Leben haben? Wir haben uns das nicht ausgesucht, um Ihnen zur Last zu fallen.


Gerne lade ich Sie herzlich dazu ein, dass Sie mich bei meinem nächsten Aufenthalt auf der Intensivstation besuchen und eine Nacht auf dem Sessel neben meinem Bett verbringen. Auch wenn ich es kaum bemerken werde, da ich um mein kurzes Leben kämpfe.

Schlafen werden Sie wohl nicht können. Nicht weil Ihr Stuhl unbequem sein wird, sondern weil Sie vom Schreien aus der Station nebenan wachgehalten werden. Vielleicht ein 4-jähriges Mädchen, das schwerste Brandverletzungen erlitten hat und deren Verbände gewechselt werden müssen. Vielleicht ein schwerbehinderter Junge, der nach seiner Wirbelsäulen-OP vor Schmerzen stöhnt, weil er keine weiteren Schmerzmittel mehr nehmen darf. Schuld könnte auch das 6-jährige Mädchen neben meinem Bett sein, deren Schädelknochen aufgrund einer Fehlbildung alle paar Jahre gebrochen werden müssen. Vielleicht aber werden Sie auch nur vom verzweifelten Weinen meiner Eltern gestört, die nicht wissen, ob ich am nächsten Morgen noch da sein werde. Meine Eltern beten oft dafür, dass ich schreien könnte. Denn wenn ich schreie, bin ich noch am Leben und falle unserer Wirtschaft zur Last.


Ich wünsche Ihnen, dass Sie am nächsten Morgen in den Spiegel schauen können. Und das nicht, weil Sie keinen Schlaf gefunden haben.


P.S.

Ich möchte nicht unverschämt sein, aber wäre es möglich, dass ich zusätzlich zum Sauerstoff vielleicht noch einen Atem- und Herzfrequenzmonitor ausleihen dürfte? Ich gebe diesen natürlich zurück, sobald ich nicht mehr da bin. Und selbstverständlich nur, wenn nach der nächsten Anschaffung für neue Kampfflugzeuge noch etwas Geld übrig bleibt, welches Sie nicht schon für einen wichtigen Apéro eingeplant haben.








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